WS8 Dialoge - Berühren und berührt werden

Achter und letzter Workshop für 16/2: Dialoge
von Katrin Boers
"Wo sind nur die Wochen und Monate geblieben?", fragen wir uns, als der Ausbildungsjahrgang 16/2 an diesem Wochenende im Mai die Räume in der Tannenstraße für den letzten Workshop der Ausbildung betritt. "Es war doch gerade erst September!?" Aber viel Zeit zum Sinnieren bleibt nicht, denn unsere neue Trainerin Jenny ist da. Dialoge ist uns letzter und ihr erster Workshop im Sprechstil Atelier. Da mischt sich Neugier und Nervosität. Doch beides schwindet rasch. Jenny leitet uns durch ein Warm up, das uns vertaut ist, wo wir aber auch Neues entdecken und auf unsere Bedürfnisse achten. "Bin ich angespannt oder unterspannt? Brauche ich Energie oder muss ich mal kurz zur Ruhe kommen?"
Dananch gehts schon in die Dialoge. In Zweierteams bearbeiten wir Texte, die viel Spieltraum für Interpretationen geben:
A: "Worüber reden wir?"
B: "Du weißt schon."
A: "Ich weiß gar nichts mehr."
Wir experimentieren herum und lernen, dass der Status wichtig ist, aber auch das Reagieren auf den anderen. Wenn ich ihm zuhöre, dann muss ich manchmal anders antworten, als ich es mir vorher zurecht gelegt habe. Das ist anstrengend, aber sehr spannend. Die gleichen Textpassagen klingen bei jedem Paar anders. Es können mal zwei alte Freunde sein, die es lieben, sich zu streiten. Ein junges Paar, das frisch verließt ist und sich neckt. Zwei Kolleginnen, die über Tratsch in der Firma klatschen.

Zu Mittag essen wir unseren letzten Kuchen, gebacken natürlich von unserer Candyqueen Katja und als uns klar wird, dass es der letzte ist, kommt ein "ohhh!!!" aus allen Mündern. Wo wir schon so emotional sind, können wir uns zum Aufwärmen nach der Pause auch mal intensiv begrüßen. Mit den Knien, den Füßen, den Hüften – dabei nehmen wir Blickkontakt auf und rufen: "Hi", "Hohoho" und "Heyheyhey!". Auch unsere Rücken begrüßen sich und unsere Kniekehlen. Was wie ein übermütiges Spiel aussieht, wärmt neben unseren Körpern auch unseren Atem und unsere Stimmen auf. Dann zeigt uns Jenny, auf welche verschiedene Arten, wir Charaktere erschaffen können, damit die Dialoge noch lebendiger werden. Da helfen Stereotypen: die Stewardess, der Polizist, die Amazone, der Pfarrer. Eine Frage taucht auf: "Wie schlüpfe ich in diese Rolle?" und Trainerin Jenny schlägt vor, dass die Rolle auch zu uns kommen kann. Miriam streicht sie einfach in ihrer eigenen Farbe an und macht die Rolle so zu ihrer. Neben den Stereotypen hilft uns auch das Stimmmischpult. Jeder kann sich für eine hohe oder eine tiefe Stimme entscheiden. Sie ist weit oder eng, sitzt sie vorne oder weit hinten. Behaucht der Sprecher oder ist er atemlos. So erschaffen wir alle einzigartige und von einander unterscheidbare Charaktere.
Damit das Ganze auch noch authentisch klingt, nehmen wir uns Heinrich von Kleist zum Vorbild. Schon der hat gesagt, dass Denken beim Sprechen wichtig ist. Der Gedanke formt sich beim Sprechen. Um das zu üben, machen wir uns ans Primavista-Lesen und greifen wild ins Bücherregal. Eine Seite spontan aufschlagen und loslesen. Das klappt gut und die Pausen, die entstehen, weil man über das gelesen nachdenkt oder schon mal die nächsten drei folgenden Worte im Kopf liest, sind gar keine Katastrophe. Im GEGENTEIL! Pausen sind grandios wichtig. Um neuen Atem zu schöpfen und dem Zuhörer die Chance zu geben zu folgen oder auf die Fortsetzung gespannt zu sein. Bei dieser Übung legt uns Jenny die Hand auf den Bauch. Wichtig ist, zu atmen und die Bauchdecke auch mal loszulassen. Unsere Bäuche sollen nicht flach und einzogen sein: Raus damit!
Wir unterhalten uns in einer Übung nur noch mit den Worten "ja" bzw. "nein" und können doch so viel damit sagen, weil Subtext mitschwingt. Wir sitzen zu zweit auf Parkbänken und bespritzen uns in Texten mit Suppe oder reißen uns die Ohren ab. Alles sprachlich, versteht sich. Wir widmen uns noch kurz der Werbung und stellen unsere Stimmen in den Dienst von Schokolade, Drei-Wetter-Taft, Energydrinks und Schlemmerjoghurt.

Jenny ist immer an unserer Seite, hat für jeden sofort eine eigene Übung oder eine Idee, wie er an seiner jeweiligen Baustelle arbeiten kann und sagt weise: "Die Übung bringt nur etwas, wenn du die Übung machst!" Da steckt viel Wahres drin. Wir trauen uns. Peinlich ist uns nichts mehr, wir kennen uns so gut und lassen uns von den Stimmen der anderen berühren. Das mündet dann darin, dass wir alle im Kreis um ein Mikrofon stehen und an einem Hörspiel arbeiten, darin sind wir Probanten bei einem Laborversuch. Hier fließen die Charaktere der beiden Tage ein und werden neu geschaffen. Was alles in ein Wochenendworkshop passt! Wahnsinn. Was für ein fulminanter Abschluss unserer Workshop-Ausbildung – aber ein bisschen was haben wir ja noch vor uns.
Als nächstes sehen wir uns beim Studiotraining. Zum Glück!