Sieben Gladiatoren mit gelöstem Kiefer auf dem Weg zum Ruhm

Rückblick auf die Sprecherausbildung Mediensprechen 2015/2
von Katrin Boers
Wieviele Fragezeichen im September 2015 durch unsere sieben Köpfe geisterten, kann ich nicht zählen. Es waren auf jeden Fall SEHR viele. Große Augen, gerunzelte Stirnen und zuckende Schultern verwandelten sich aber peu à peu in einen locker händenen Kiefer, einen gelösten Atem, befreite Seufzer und jede Menge Spaß am Sprechen. Den hatten wir zwar auch vorher schon, sonst hätten wir die Ausbildung gar nicht erst angefangen, aber die Aha-Momente reihten sich aneinander.
Am Ende sahen wir dann so aus...

Doch von Anfang an: Die ersten beiden Workshops standen ganz im Sinne unserer Körper und unseres Atems. Trainerin Sandra wurde es nicht müde, uns an den gelösten Kiefer zu erinnern und wir warm-upten uns auf, was das Zeug hielt.Unsere Gruppe aus Anke, Christina, Christof, Dana, Daniel, David und mir, Katrin, wuchs flott zusammen. Gemeinsames Mittagessen, Teetrinken, Hausaufgaben-Feedbacks, das schweißte genauso zusammen, wie Fahrgemeinschaften zum Bahnhof, Techniktipps, aber auch das Halten von fremden Körperteilen.
Okay, das bedarf einer genaueren Erklärung: Bei einer Partnerübung führt einer den locker hängenden Arm des anderen. Der Geführte soll die Kontrolle über seinen Arm abgeben – das klappte mal mehr, mal weniger.


Wir trainierten unsere Zungen mit Zungenbrechern bei Coach Julia. Schwitzen über Transferaufgaben für das nächste Workshop-Wochenende. Zermaterten unsere Gehirne bei der Herausforderung, ein Stück Text auswendig zu lernen. Zitat Trainerin Jutta: "Ein bis anderthalb Minuten reicht völlig aus."
Bei Trainer Daniel zerlegten wir Texte in einzelne Wörter und tasteten sie mit unseren Stimmen ab, wie Gegen- ständen mit einer Taschenlampe in völliger Finsternis. Oder beim Workshop "Hörspiel": da verwandelten wir uns in streitende Pinguine, die sich am liebsten aus Langeweile die Köpfe einschlagen wollten. Und immer wieder gab es Warm- Ups, deren Bedeutung und Nutzen uns immer bewußter wurde. Ja – das ist Arbeit – aber es hilft: so unsere Einsicht. (Solche Erkenntnisse lassen Trainer übrigends wissend lächeln!)
Immer wieder kamen wir auch aus dem Übungsmodus heraus und wurden mit der echten Sprecherwelt konfrontiert. Dann nämlich, wenn es Castings gab. Jeder konnte selbst entscheiden, ob er/sie sich die Teilnahme zutraute und wir versuchten es nach Kräften, richtige Sprecherjobs an Land zu ziehen. Wir bewarben uns für ein Live-Rollen-Spiel und wurden genommen, wir schickten Sprechproben zum Domradio, die weihnachtliche Gedichte gelesen haben wollten und einige von uns, sind nun in der Sprecherkartei des LVR, des Landschaftsverbandes Rheinland. So lernten wir in unserer Ausbildung auch ein bisschen für unsere neue Berufswelt. Nicht jedes Casting schließen wir mit einem Job ab, aber auch das gehört zum Lernprozess. Absagen gehören zum Geschäft, Kritik zum Alltag und Klinkenputzen ist Teil des Business. So haben wir sieben Blut geleckt: der Wunsch, Synchronsprecherin zu werden oder nach der Ausbildung sofort Hörbücher zu lesen oder über Nacht berühmt zu werden, wird sich zwar wohl nicht sofort erfüllen. Wir haben durch die Ausbildung und die Gespräche mit den Trainern einige Luftschlösser auf Eis gelegt, doch alles hat uns auch Lust auf mehr gemacht.Besonders aufregend waren die Studio-Tage bei Tom Blankenberg in den Convoi-Studios. In der Sprecherkabine hinter dem Mikrofon zu stehen, sich an Werbespots, Anrufsbeantwortersprüchen und einem echten Hörspiel zu versuchen, hat unglaublich Spaß gemacht! (Zitat: "Saufen, saufen, saufen!") Tom gab uns Tipps und Regieanweisungen und wir konnten das direkt am Mikro umsetzen und ausprobieren. Nach diesen Tagen oder überhaupt nach allen Workshops schlichen wir erschöpft, aber meistens glücklich und erfüllt nach Hause.


Unser Gruppenprojekt wurde dann gegen Ende unserer Ausbildung noch einmal ein im wahrsten Sinne des Wortes tierisches Highlight. Ich hatte für uns ein Hörspiel für sieben Sprecher geschrieben. Titel: "Der Nächste, bitte!". Das mag jetzt gewichtig klingen, war aber eigentlich nur pragmatisch. Wir wollten als Gruppenprojekt ein Hörspiel produzieren. Doch wir wollten auf keinen Fall Probleme mit irgendwelchen Rechten von Autoren haben. Es selbst zu schreiben, war die einfachste Lösung, außerdem bekam dann jeder eine gleich große Rolle.Wir angehenden Sprecher konnten uns als Zootiere auf einer Quarantänestation so richtig austoben. Da gab es die hypochondrische Giraffe, den schüchternen Gorilla, den pubertierenden Löwen, das Lama mit Verfolgungswahn, die altersmüde Elefantendame, den tussihaften Flamingo und das Krokodil, das alle therapieren will (Audiothek). Wir durften unser Stück in den Studios des LVR einsprechen. Die Aufnahmen verlangten uns auch körperlich alles ab. Die Sprecherkabine war klein und meistens waren mindestens drei Sprecher/Innen gleichzeitig drin. Für viele Szenen brauchten wir auch alle "Tiere" und da war die Luft restlos weggeatmet. Außer Puste, nass geschwitzt, aber sehr stolz krönten wir den Hörspieltag mit einem Eis beim Italiener.

Während wir an dem Hörspiel so intensiv zusammen arbeiteten, ging es danach an die Abschlussarbeit. Hier sollte jeder in drei verschiedenen Genres zeigen, was er/sie kann und was er/sie gern in Zukunft mehr versuchen und ausbauen möchte. Nach 10 Monaten waren plötzlich die regelmäßigen Treffen vorbei. Verbunden fühlen wir sieben so unterschiedlichen Gladiatoren der Sprache uns aber immer noch. Wichtige Monate, überraschende Erkenntnisse und für manch einen ein neuer Weg in eine glorreiche Zukunft!
(Okay, ein bisschen viel Pathos vielleicht, aber am Ende darf man ruhig ein klein wenig pathetisch werden, oder?)
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